Unser Werkunterricht – mit den Händen begreifen lernen

Werkunterricht mit einer gelernten Tischlerin

Mit viel Gefühl bewegt Marie ihre Laubsäge durch das Kiefernholz. Aus dem eckigen Stück, das in einer Zwinge am Werktisch eingespannt ist, lässt die Neunjährige ein besonderes Frühstücksbrett entstehen – in Vogelform. „Weil Vögel meine Lieblingstiere sind“, erklärt die Schülerin der Katholischen Schule St. Joseph in Wandsbek. Obwohl die Hamburger Bildungspläne reinen Werkunterricht in der Grundschule nicht mehr vorsehen, sondern diesen im Kunstunterricht verortet sehen, haben sich die katholischen Grundschulen in der Hansestadt ihre „Werk-Freiheit“ erhalten.

Angeleitet werden die Drittklässler im schuleigenen Werkraum von Fachlehrerin Eva Kempe, die gelernte Tischlerin ist. „Immer schön gerade sägen. Wenn du die Säge schief hältst, wird es schwieriger“, erklärt sie Odilia. Die Neunjährige hat auf ihrem Holzstück einen Hasen aufgemalt, und folgt der Zeichnung nun konzentriert mit ihrer Säge. Klassenkamerad Luca sägt derweil an einem Stück Holz, das eindeutig zu klein ist für ein Frühstücksbrett. „Das wird der Arm von einem Hampelmann“, erklärt er stolz und zeigt auf den bereits ausgesägten Körper und den Kopf seiner Figur.

Das Holzwerken ist einer von mehreren Kursen, den die Kinder neben dem regulären Unterricht wählen können. „Mit diesem Angebot wollen wir der Vielfalt unserer Schülerinnen und Schüler noch besser gerecht werden“, erklärt Schulleiter Sebastian Stahlberg. In Kursen wie Yoga oder Werken können sich Kinder ganz anders erfahren, ist Stahlberg überzeugt. Von großem Vorteil seien dabei Fachlehrerinnen wie Eva Kempe. Die Pädagogin für Werken und Kunst ist nicht nur gelernte Tischlerin, sondern zudem ausgebildete Lerntherapeutin. So kann sie handwerkliches Wissen kindgerecht vermitteln. Und das kommt an.

„Das wichtigste Ziel des Werkunterrichtes ist es, die Fingerfertigkeit der Kinder auszubauen –  denn die Entwicklung motorischer Fähigkeiten fördert auch den Verstand. Mit den Händen lernen die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen“, ist Kempe überzeugt. Und das handwerkliche Arbeiten ermögliche den Kindern einen anderen Zugang zu Schulfächern wie etwa Mathematik. „Wenn sie etwas ausmessen müssen, merken sie, wie sinnvoll Rechnen lernen sein kann“, so Kempe.

Seinen eigenen Ideen zu folgen, aber auch Durchhaltevermögen zu entwickeln ist ein weiterer Lerneffekt des Kurses. Besonders die Arbeit mit dem Schleifpapier erfordere Geduld. Aber wenn das Stück dann fertig ist, zeige sich, dass es sich lohnt, „dranzubleiben und nicht so schnell aufzugeben“, sagt Eva Kempe. Und Dranbleiben – das ist ja auch in vielen anderen schulischen Situationen durchaus keine schlechte Einstellung.